Menschen unterscheiden sich zum Teil stark darin, wie und wie lange sie trauern. Auf die Frage, wie lange ein Trauerprozess „normalerweise“ dauert, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Für manche Menschen ist Trauer eine sehr tiefgehende und lebensverändernde Erfahrung, andere erleben die Trauer weniger intensiv. Während die Trauer bei einigen Menschen nach relativ kurzer Zeit wieder abklingt, benötigen andere sehr lange für die Bewältigung des Verlusts.
Die verschiedenen Ebenen der Trauer
Bei Menschen, die eine akute Trauerphase durchmachen, kann ein breites Spektrum unterschiedlicher Trauerreaktionen auftreten. Nach William J. Worden lassen sich dabei vier unterschiedliche Ebenen unterscheiden; die der Gefühle, der körperlichen Reaktionen, der kognitiven Veränderungen und der konkret beobachtbaren Verhaltensweisen. Diese unterschiedlichen Ebenen des Trauerns sind in komplexer Weise miteinander verwoben. Jeder Mensch trauert anders und es kann zu vielfältigen Kombinationen der Trauerreaktion kommen.
Ebenen der Trauerreaktion
Emotionale Ebene
Das häufigste Gefühl bei trauernden Hinterbliebenen ist eine starke Traurigkeit, welche sich meist durch Weinen äußert. Doch auch andere intensive Gefühle wie Angst, Wut und Hilflosigkeit kommen häufig vor. Insbesondere nach dem Verlust des Ehe- bzw. Lebenspartners können starke Einsamkeitsgefühle auftreten. Schuldgefühle können sich auf vermeintliches Fehlverhalten oder Versäumnisse vor dem Tod des Verstorbenen beziehen. Es gibt auch Trauernde, bei denen Gefühle der inneren Leere, Kälte und Abstumpfung vorherrschen. Diese emotionale Taubheit kann eine Art psychischer „Schutzmechanismus“ gegen die Überflutung mit überwältigenden Gefühlen sein. In manchen Fällen kann der Tod eines geliebten Menschen auch eine gewisse Erleichterung bewirken, z.B. wenn dem Tod eine lange, qualvolle Krankheit vorausgegangen war oder eine schwierige Beziehung zu der verstorbenen Person bestanden hatte.
Kognitive Ebene
Weiterhin lassen sich bei trauernden Menschen charakteristische Denkmuster beobachten. Unmittelbar nach dem Tod neigen viele Menschen zur Verleugnung; sie wollen zunächst nicht glauben, dass der Verstorbene wirklich tot ist oder sie hoffen, bald aus einem bösen Traum zu erwachen. Andere Hinterbliebene nehmen ihr Denken als stark verändert wahr, z.B. als völlig konfus und fahrig oder aber im Gegenteil als verlangsamt, flach und inhaltsleer. Grübeln und die gedankliche Weiterbeschäftigung mit dem Geschehenen bzw. mit der verstorbenen Person können manchmal fast zwanghafte Formen annehmen. Andere Trauernde wiederum beschäftigen sich vermehrt mit spirituellen bzw. religiösen Gedanken und Vorstellungen, die sich z.B. auf Gott, Jenseits, Auferstehung, Lebenssinn etc. beziehen.
Körperliche Ebene
Die großen emotionalen Belastungen im Trauerprozess kommen häufig auch in körperlichen und psychosomatischen Beschwerden zum Ausdruck. Sehr häufig sind Schlafstörungen (v.a. Einschlaf- und Durchschlafstörungen, frühes Erwachen) sowie Essstörungen mit meist stark reduziertem Appetit. Viele Hinterbliebene erleben körperliche Verspannungen, Beklemmungen und allgemeines Unwohlsein. Sie fühlen sich oft erschöpft, schwach und energielos. In anderen Fällen können auch Schmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden auftreten. Manche Trauernde erleben auch eine stark herabgesetzte Toleranzschwelle gegenüber Sinneseindrücken, z.B. eine Überempfindlichkeit gegen Alltagsgeräusche und Lärm. In den ersten Wochen nach dem Todesfall kann es auch zu visuellen oder akustischen Halluzinationen kommen, z.B. wenn die trauernde Person in manchen Situationen die Stimme des Verstorbenen hört. Derartige Halluzinationen sind in der Regel ein vorübergehendes Phänomen und per se kein pathologisches Symptom oder Vorbote eines besonders schwierigen Trauerprozesses.
Verhaltensebene
Auch auf der Ebene objektiv beobachtbarer Verhaltensweisen und Handlungen gibt es ein breites Spektrum von normalen Trauerreaktionen. Einhergehend mit depressiver Gestimmtheit, körperlichem Unwohlsein und Appetitverlust kommt es häufig zu einem veränderten Essverhalten, das zu einem deutlichen Gewichtsverlust führen kann. Typisch sind, wie erwähnt, auch Grübeln und Schlafstörungen, auf die manche Trauernde wiederum mit bestimmten Verhaltensweisen reagieren, wie z.B. durch veränderte Tag-Nacht-Aktivitäten oder Betäubungsverhalten (Medikamente, Alkohol). Nicht selten ziehen sich Trauernde auch (vorübergehend) von ihrem Freunden und Bekannten zurück, weil sie das Bedürfnis haben, allein zu sein. Manche vermeiden bewusst Orte oder Gegenstände, die sie schmerzlich an die verstorbene Person erinnern oder versuchen alles, was mit dieser zusammenhängt, möglichst schnell loszuwerden. Umgekehrt gibt es aber auch Trauernde, die die Erinnerung an den Verstorbenen intensiv pflegen und deswegen z.B. häufig dessen Grab aufsuchen, ständig sein Foto oder einen Gegenstand aus seinem Besitz bei sich tragen.
(Jungbauer/Krockauer 2013)
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