Wie sind Meinungsverschiedenheiten zu lösen?
Ein Annäherungsversuch mit Hilfe der gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg
In Konfliktsituationen haben unsere Worte und unsere Art zu sprechen oft Verletzungen und Leid zur Folge, sowohl bei anderen als auch bei uns selbst. Denn sobald Bewertungen, Kritik und Ablehnung im Zentrum der Kommunikation stehen, reagieren wir mit Angst, Abwehr, Scham oder Schuldgefühlen. Sämtliche Energie wird darauf konzentriert, sich zu verteidigen und der Kritik etwas entgegenzusetzen.
Sind jedoch Aufrichtigkeit und Empathie die Basis, können wir in diesem geschützten Rahmen voneinander lernen und uns gegenseitig bereichern. Empathie beschreibt dabei die Präsenz, in der wir miteinander verbunden sind. Gleichzeitig hilft sie uns bewusster zuzuhören und unserem Gegenüber respektvolle Aufmerksamkeit zu schenken: „Ich bin bereit, all deine Gefühle und Bedürfnisse zu hören, selbst wenn sie sich hinter Worten verstecken. Und ich bin bereit, alles zu hören, was dich bewegt und in dir lebendig ist.“ Ehrlichkeit und Empathie bilden das Herz einer jeden bereichernden Kommunikation, die einen wahren Austausch und letztendlich friedliche Lösungen bei noch so großen Unterschieden zum Ziel hat.
In der gewaltfreien Kommunikation geht man davon aus, dass alles Verhalten zielgerichtet ist und im Dienste der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse steht. Alle Menschen haben im Grunde die gleichen Bedürfnisse und genau darin sind wir miteinander verbunden.
Einige grundlegende Bedürfnisse, die wir alle teilen:
Autonomie (Träume, Ziele, Werte wählen und Pläne für deren Erfüllung entwickeln)
Integrität (Authentizität, Kreativität, Sinn, Selbstwert)
Interdependenz (Kontakt mit anderen, Wertschätzung, Nähe, Geborgenheit, Gemeinschaft, Rücksichtnahme, emotionale Sicherheit, Empathie, Ehrlichkeit, Liebe, Respekt, Vertrauen, Unterstützung, Verständnis, Zugehörigkeit)
Unterhaltung (Feiern, Freude, Spiel, Lachen)
Spirituelle Verbundenheit (Harmonie, Inspiration, Ordnung, Frieden, Schönheit)
Physische Existenz (Luft, Nahrung, Bewegung, Schutz, Ruhe, Unterkunft, Wasser)
Gefühle und Bedürfnisse Gefühle spielen aus Sicht der gewaltfreien Kommunikation bei der Erfüllung unserer Bedürfnisse eine wichtige Rolle. Sie können als Signale verstanden werden, die anzeigen, ob wir im Einklang mit unseren Bedürfnissen leben oder nicht.
Gefühle, die aufkommen, wenn Bedürfnisse erfüllt sind: angeregt, bewegt, dankbar, energiegeladen, erfüllt, erleichtert, erstaunt, fasziniert, fröhlich, inspiriert, hoffnungsvoll, optimistisch, stolz, vertrauensvoll, zuversichtlich
Gefühle, die auftreten, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt sind: bekümmert, besorgt, einsam, entmutigt, enttäuscht, frustriert, gereizt, hilflos, hoffnungslos, überlastet, nervös, traurig, unbehaglich, ungeduldig, verärgert, widerwillig, wütend, bitter, apathisch
Die meisten von uns haben nie gelernt, sich über die eigenen Bedürfnisse Gedanken zu machen und sie ehrlich und klar auszudrücken. Häufig versuchen wir dann etwas durchzusetzen, ohne das uns deutlich wird, wofür wir eigentlich einstehen.
Hierbei symbolisiert unser individuelles Verhalten Strategien, die wir wählen, um das zu erfüllen, was uns gerade wichtig ist. Konflikte entstehen daher nicht auf der Grundlage der Bedürfnisse, sondern auf der Ebene der gewählten Strategien.
Wenn wir verstehen können, dass jedem Verhalten der Wunsch nach der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse zugrunde liegt und nicht der nach der Einschränkung der Bedürfnisse anderer, können wir uns leichter auf die Suche nach alternativen Verhaltensweisen machen. Jeder Konflikt kann daher eine Chance sein, etwas über sich und den anderen zu erfahren und dadurch die Beziehung zu intensivieren.
Quelle: Gewaltfreie Kommunikation nach M. Rosenberg
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